Immer mehr Mitarbeitende sind nur noch schwer zu motivieren, Veränderungsprogramme aktiv zu unterstützen. Laut Gartner HR-Webinar: Managing Change Fatigue hat sich die Bereitschaft, den Wandel im Unternehmen zu unterstützen, von 74 % aller Mitarbeitenden im Jahr 2016 auf nur noch 43 % im Jahr 2022 fast halbiert. Und gleichzeitig wissen wir, dass der Anpassungsdruck steigt. Verfügbare und bezahlbare digitale Werkzeuge verändern unser Leben und unsere Arbeit in atemberaubender Geschwindigkeit. Wie meistern wir diesen Spagat? Wie nehmen wir unsere Mitarbeitenden mit auf diese Hochgeschwindigkeitsreise, ohne sie zu überfordern?
Unser aktueller Gegenspieler: die Change-Fatigue
Oft sind unsere Mitarbeitenden anfangs im Change aktiv gewesen, doch frustrierende Erlebnisse haben die Begeisterung mittlerweile zu Nichte gemacht:
- Die versprochenen Ergebnisse blieben aus und es wurde nicht kommuniziert, woran das lag.
- Es wurden von Beginn an falsche Versprechungen gemacht. Nun ist das Vertrauen verspielt.
- Die eine Veränderung war nicht zu Ende umgesetzt, da kam schon die nächste ins Haus.
- Jeder Change soll zusätzlich zum Tagesgeschäft geschafft werden. Das laugt aus und es gibt keinen Spielraum, um den Akku wieder aufzuladen.
Wir brauchen also dringend etwas, das die Abwärtsspirale unterbrechen und uns neue Veränderungsenergie geben kann. Und die beste Energie dazu finden wir in uns selbst, in unseren Bedürfnissen und unserer Motivation.
Ein erster Schritt, diese Energie wieder freizulegen, könnten 5 neugierige Fragen sein.
5 Energie-freisetzende Fragen
Im Coaching nutzen wir Fragen, um in unserem Gegenüber etwas zum Schwingen zu bringen, um eine Reaktion zu erzeugen. Es geht darum, einer Person zu helfen, den eigenen Standpunkt besser zu bestimmen, die innere Haltung zu einem Thema und das eigene Ziel klarer zu sehen. Wenn wir wissen, was uns wichtig ist und warum, können wir schneller unsere Möglichkeiten ausloten, Entscheidungen treffen und aktiv werden.
1. Was müssten wir tun, um diesen Change voll gegen die Wand zu fahren?
(Energie gegen die Veränderung loslassen)
Diese Frage löst die Anspannung und gibt uns die Möglichkeit, alles loszulassen, was sich an
negativer Energie gegenüber der Veränderung angestaut hat. Wir durchdenken, wie wir aktiv diesen Change sabotieren könnten und stellen dabei fest, das schon die bloße Unterlassung der Mitwirkung zum Scheitern des Gesamtprojektes führen kann. Diese Frage löst zum einen Stress und macht uns zum anderen sensibel für alle Handlungen, die das Projekt schädigen. Sie liegen quasi offen auf dem Tisch und jeder kann sie sehen. Unser Unbewusstes ist nun darauf sensibilisiert, wird diese Handlungen weiterhin als „nicht gut“ bewerten und uns im Projektverlauf davor warnen. Da die meisten von uns von anderen gemocht und anerkannt werden wollen, werden wir also offensichtlich schädliches Verhalten unterlassen.
2. Wenn weitermachen wie vorher keine Option ist, was ist dann unsere nächstbeste Option?
(Energie aus der Anerkennung von Erfahrung und Expertise schöpfen)Ja, was sind die Optionen? Diese Frage öffnet den Geist und fordert dazu auf, selbst aktiv zu werden und nach Möglichkeiten zu suchen. Wenn uns die Optionen wie die gebratenen Tauben präsentiert und dann auch noch für uns bewertet werden, ist wenig gewonnen. Wir „empfangen“ die Botschaften und sind „das Opfer“ des Systems. „Da kann man ja nichts machen..!“ wäre ein typischer Anzeiger-Satz für eine solche innere Haltung. Wir wollen im Change aber keine Opfer, sondern Akteure. Und wir wollen multiperspektivisch und divers an die Sache heran gehen, um die bestmögliche Lösung zu finden. Deshalb ist die Frage nach den Optionen von erheblicher Bedeutung!
3. Was wäre für uns als Team die bestmögliche Veränderung?
(Energie für die beste Option aktivieren)
Oft ergibt sich aus der Teamdiskussion schnell, dass Weitermachen auch keine Option ist. Es werden alle verfügbaren Argumente und Informationen herangezogen und möglichst konstruktiv miteinander verknüpft. Dabei kommen die unterschiedlichen Blickwinkel im Team genauso zum Tragen, wie die unterschiedlichen Motive und Gewichtungen. Die Diskussion setzt bereits echte Veränderungsenergie frei. Als Ergebnis erhalten wir einen Konsens und eine Einschätzung der Gesamtsituation, mit den dazugehörigen Optionen. Lösungswege sind also bereits gedanklich vorbereitet.
4. Unter welchen Umständen könnten wir das für uns beste Ergebnis realisieren?
(Energie durch eine realistische Perspektive hinzugewinnen)
Kollegen/*innen mit viel „Beharrungsvermögen“ werden an dieser Stelle einwenden, das „das sowieso nicht geht, weil…“. Sie wollen die theoretische Lösung mit der praktischen Erfahrung aus der Vergangenheit zusammen bringen und da sind ja auch schon Veränderungen fehlgeschlagen. Deshalb ist hier wichtig, weiter konstruktiv und vorwärtsorientiert zu Denken. Die Frage „Unter welchen Umständen..“ setzt dazu den idealen Rahmen. Sie stellt nicht mehr in Frage, ob… sondern fragt nach dem Wie. Wie kann es funktionieren? Welche Voraussetzungen müssten geschaffen werden? Auch hier wird das Team sich in der Diskussion selbst regulieren und zum Schluss eine Liste realistischer Voraussetzungen zusammentragen, die sie in die Lage versetzen, die anstehenden Veränderungen umzusetzen. Diese Liste ist von unschätzbarem Wert für jede Führungskraft, die dieses Team durch den Change führen will! Ich selbst habe mit dieser Frage ausgesprochen gute Erfahrungen gemacht!
5. Wen braucht es dazu?
(Energie durch Gemeinsamkeit und Anerkennung steigern)
Diese Frage signalisiert gleich zwei Dinge, erstens „Ihr seid nicht allein“ und zweitens „Ihr müsst konkret nennen, was ihr braucht“. Sich im Change unterstützt zu fühlen und nach Hilfe Fragen zu dürfen, löst oft weitere Blockaden und stärkt das Selbstvertrauen, diesem Change gewachsen zu sein. Viele von uns haben den Reflex gar nicht, zu schauen, wer mir hier am Besten helfen kann. Wir denken, dass die Anforderung sich konkret an uns richtet und sind so fokussiert, dass wir andere helfende Hände schnell übersehen. Gemeinsam wird es leichter und die Last für jeden ein wenig geringer. Gemeinsam wird der Change machbar. Zudem bedeutet die Frage nach Unterstützung für den Gefragten Anerkennung, was wiederum eine Quelle für positive Energie ist.
Win-win! Diese und die vorhergehende Frage aktivieren zudem die Selbstverantwortung. Wenn wir hier nicht benennen, was wir brauchen, dürfen wir uns auch nicht wundern, wenn später etwas fehlt. Wir werden diese Chance also ergreifen und sind damit mental schon im Umsetzungsprozess. Von hier bis zur Aktionsplanung ist es jetzt nur noch ein kleiner Schritt.
Fazit
In Veränderungsprozessen ist das Führen durch Fragen enorm kraftvoll. Eine Überlastung der Mitarbeitenden können diese Frage nicht mindern. Doch sie können dafür sorgen, dass der gefühlte Aufwand zielgerichtet und in effizienten, abgestimmten Bahnen verläuft. „Blindleistungen“ und unnötige Aufwände wurden in der Diskussion um die optimale Anpassungsstrategie reduziert. Die Akzeptanz für die anstehenden Change Aktivitäten ist gestiegen, weil sie für alle den besten und effizientesten Weg bedeuten. Dadurch verringert sich die Reibungsenergie. Wichtig ist also, dass wir und unsere Mitarbeitenden unsere Signale wahrnehmen, Frust artikulieren und auch, welches Bedürfnis eigentlich dahinter steht. Wir müssen sagen dürfen, unter welchen Umständen dieser Change nur funktionieren kann und: wir müssen eine Entscheidung treffen, uns aktiv für unsere beste Lösung einzusetzen!
You can get bitter or you can get better – it’s your choice!
(Cassandra Worthy, Change Enthusiast)
Links zu hilfreichen Tools oder Downloads:
Globale Trends bis 2030 und die Einschätzungen der EU zu notwendigen Veränderungen: https://espas.eu/files//generated/document/en/espas-report-2015de.pdf
Gartner Research & Webinar zur aktuellen Change-Fatigue und möglichen Gegenmaßnahmen:
https://www.gartner.com/en/webinar/462138/1090629?_its=JTdCJTIydmlkJTIyJTNBJTIyNWM0MDExYmQtNzA1My00NjVlLWJmMDYtMjUwNzQ5YThjMDgzJTIyJTJDJTIyc3RhdGUlMjIlM0ElMjJybHR+MTY5NTYzNDQ0MX5sYW5kfjJfMTY0NjdfZGlyZWN0XzQ0OWU4MzBmMmE0OTU0YmM2ZmVjNWMxODFlYzI4Zjk0JTIyJTJDJTIyc2l0ZUlkJTIyJTNBNDAxMzElN0Q=
Casandra Worthy spricht über 3 Schritte für mehr persönlichen Change Enthusiasm: http://trustedleadershow.libsyn.com/ep-90-cassandra-worthy-on-the-3-step-strategy-for-change-enthusiasm
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