Vielleicht kennt ihr das auch: Ihr seid gerade mitten im Projekt, leistet engagiert euren Beitrag und plötzlich läuft etwas aus dem Ruder. Ein Konflikt hat sich angebahnt, spitzt sich zu und der Ton wird rau. Es muss „schnell“ noch eine zusätzliche Ana­lyse her oder eine Funktionalität nachgebessert werden, doch die Zeit wird knapp. Hoch konzentriert seid ihr um eine Lö­s­ung bemüht, macht ein paar Extrastunden. Und meist bekommt ihr es wieder hin – allein oder im Team – alle ziehen an einem Strang! Bis morgen das nächste „brennende“ Thema um die Ecke kommt.

Die „Hochleistungsfalle“

Tatsächlich haben Studien nachgewiesen, dass wir als Individuen ca. 2 – 2.5 Stunden unserer täglichen Arbeitszeit mit Ar­beits­dramen beschäftigt sind, also mit Dingen, die uns stressen. Das kann eine Problemstellung sein. Genauso gut kann es eine wichtige Präsentation sein, auf die wir uns gerade vorbereiten oder eine inhaltliche Auseinandersetzung, bei der unsere Punkte nicht gehört werden. All diese Situationen rufen in unserem Körper das Stresshormon Cortisol auf den Plan – unser Fokus-Hormon! Es lenkt all unsere Aufmerksamkeit auf das für uns so wichtige Thema und blendet alles andere so lang aus. Wir nutzen unsere geistige Taschenlampe, um dieses eine Thema optimal auszuleuchten, während die Randbereiche im Dunkeln verschwinden.


Alle Ampel zu den Hirnzellen mit Problemlösekompetenz oder relevanten Inhalten werden auf Grün geschaltet. Alle Neben­straßen werden vorübergehend gesperrt.
Perfekt – für die Höchstleistung im Moment und das berufliche „Überleben“. Ganz schlecht aber für unsere Flexibilität, Krea­tivität und Lernfähigkeit und insbesondere den Zugang zu völlig neuen Möglichkeiten. Viele Bereiche unseres Gehirns kön­nen sich so nicht an neuen Ideen für eine Lösung beteiligen. Unter Stress greifen wir tatsächlich gern auf das zurück, was uns bei einer ähnlichen Situation schon geholfen hat. Da wissen wir auch sofort, wie wir das im einzelnen angehen können. Sehr gut! Unser Gehirn hat das als eines unserer Erfolgsmuster abgespeichert und genau für diesen Moment bereit gelegt! Sich wiederholende oder ähnelnde Herausforderungen können wir so schneller lösen.

Doch Vorsicht: alte Muster bringen uns nur dahin, wo wir schon waren. Sie sind nicht dazu geeignet, neue, unbekannte He­raus­forderungen anzugehen. Mehr vom Gleichen hilft hier nicht.

Der Zugang zu neuen Ideen

Keine Zeit für Experimente? Digitalisierte Arbeitsmittel, interdisziplinäre Vernetzung und fachliche Komplexität machen den Lösungsprozess anspruchsvoll. Und zugleich öffnet sich ein völlig neuer Lösungsraum. In diesem Raum brauchen wir sowohl unsere fachliche Kompetenz und unsere Erfahrungen, als auch Zugang zu unserem Kreativzentrum! Und wir brauchen die Bereitschaft, uns auf neue Lösungen einzulassen, obwohl für uns einiges davon abhängt.

Aber wie machen wir das? Wie erkennen wir, ob ich gerade in der „Hochleistungsfalle“ feststecken oder Zugang zu unserem vollen Potenzial haben? Sind wir uns bewusst, für welche unserer Aufgaben wir welchen Zustand benötigen? Welche Me­tho­den helfen uns, bewusst aus dem einen in den anderen Zustand zu wechseln?

Schauen wir uns das mal der Reihe nach an.
In der „Hochleistungsfalle“ würden wir nur stecken, wenn uns nicht bewusst ist, dass wir gerade sehr fokussiert arbeiten und dadurch nur begrenzt flexibel und innovativ sein können. Seien wir also bewusster in Bezug auf unseren praktizierten Ar­beits­modus.

1. Selbstdiagnose

Wir brauchen eine ehrliche Selbstdiagnose in Bezug auf unser momentanes Stresslevel! Sobald Du einen dieser Punkte für Dich ankreuzt, bis Du gestresst, hattest schon Deine Cortisolausschüttung und bist damit im Fokus Modus. Es stehen Dir nicht mehr alle Deiner kreativen Fähigkeiten zur Verfügung.

Ich bin angespannt und versuche, mich zu konzentrieren.

Ich beeile mich, gehe schneller, meine Antworten für andere fallen eher knapp aus.

Ich habe Kopfschmerzen, ggf. Sodbrennen, mein Nacken ist verspannt.

Ich bin gereizt.

Ich hatte heute schon mehr Kaffee (und/ oder Zigaretten) wie normalerweise zu dieser Zeit.

(diese Liste ist nur eine Anregung zur Reflexion und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit 😉)

2. Aktive Entspannung

Fakt ist: Innovative Ideen und neue Ansätze sind nur in einem entspannten Zustand – ohne Cortisolausschüttung – er­reich­bar. Der Mensch braucht ca. 20 Minuten, um vom Erregungszustand in die Entspannung zu kommen. Wir brauchen also ein 20 Minuten-Zeitfenster und eine Aktivität, die die Anspannung löst, um wieder vollen Zugang zu unseren Ressourcen zu er­halten.

Meiner Erfahrung nach eignen sich folgende Aktivitäten dazu besonders gut:

  • einen Spaziergang an der frischen Luft, gern etwas flotter – Bewegung löst, was festgehalten wird
  • Umgebungswechsel & Stimulation der Sinne: Wechsle Deinen Standort und nimm dabei bewusst war, was um Dich herum geschieht. Achte auf alle Kleinigkeiten, Farben, Formen, Geräusche, Menschen und ihre Geschichten. Lass Dich inspirieren!
  • Aktiviere positive Energien, zum Beispiel mit einer duftenden Tasse Tee oder Kakao, etwas guter Musik, jemandem, der Dich zum Lachen bringt. Was tut Dir gut?

Nicht geeignet sind dagegen, mehr Kaffee, eine Zigarettenpause oder ein Videospiel auf dem Handy, denn diese Dinge zahlen indirekt auf die Stressoren ein und kosten uns noch mehr Energie. Wir wollen ja bewusst und nachhaltig Stress reduzieren.

3. Deine eigene Strategie

Stell Dir vor, Du bist jetzt gerade in einem coolen, kreativ-neugierigen Zustand. Was hat Dich dahin gebracht? Was hast Du direkt vorher gemacht, dass dieser Zustand jetzt so eingetreten ist? Was ist denn Deine beste „20 Minuten Anti-Stress-Strategie“?
Probiere einfach in den kommenden Tagen mal das eine oder andere und beobachte, was Dich am schnellsten wieder mit Deiner Kreativität in Kontakt bringt!

Wenn wir unseren Cortisolspiegel nach 20 Minuten erfolgreich gesenkt haben, kann es mit einem Brainstorming zu den so wichtigen Themen weiter gehen. Du wirst sehen, Dir fallen neue Aspekte ein und schlussendlich bist Du schneller und ent­spann­ter am Ziel.

Vielleicht ertappst Du Dich auch dabei, dass Du die Stimulation eigentlich genau anders herum brauchst. Erledigst Du viele Aufgaben erst im letzten Moment? Wartest Du, bis jemand von außen den Druck erhöht? Dann suchst Du nach der ent­­spre­ch­en­­den Cortisolausschüttung, die Dich in den fokussierten Modus bringt, damit Du die Aufgaben maximal effizient und schnell erledigst. Aber Vorsicht: Dies gelingt bei Standardaufgaben. Für neue Herausforderungen und innovative Lösungen ist diese Strategie nicht geeignet!
😉

4. Deine Strategie als Führungskraft

Wenn Du Führungsverantwortung hast, kannst Du diesen Prozess übrigens auch in Deinen Teams auslösen oder steuern. Bist Du eher der „Stressor“, der zum Fokussieren anregt oder der „Innovator“ der Entspannungsstrategien und kreative Ar­beits­wei­sen fördert?
Wie machst Du das und welche Tools nutzt Du dazu?

Teile Deine Erfahrungen und Anregungen gern unten in den Kommentaren!

Fazit: Stress verhindert Veränderung

So, und was hat das nun alles mit Change zu tun?
Eine ganze Menge! Denn wenn die Mitarbeitenden einer Organisation unter starker Anspannung stehen, ist jede „Ab­len­kung“ störend, jeder Workshop zu viel. Die Einladung zum Mitmachen und Mitdenken bleiben ungehört. Wir stoßen auf Ab­leh­nung.
Aus so einer Situation heraus den Change voranzubringen ist unglaublich schwer. Oft bleibt nur der Weg des „Facts-Driven Change“, also der Veränderungsprozess durch Fakten schaffen. Ich kann Euch an dieser Stelle schon verraten, dieser Change ist geräuschvoll, reibungsintensiv und teuer! Und es dauert vergleichsweise lang, bis Akzeptanz und Routinen neu etabliert sind.

Gute Veränderung braucht ein Mindestmaß an Offenheit für einen neuen Ansatz, eine saubere Herleitung des Ver­än­de­rungs­be­darfes, ein für alle attraktives Zielbild und die Möglichkeit, sich in den Prozess einzubringen. Aber genaueres dazu erfahrt ihr in einem meiner Webinare oder Change Trainings. Schaut gern mal vorbei und informiert Euch! 😉

Wenn Du noch mehr zu diesem Thema lesen möchtest, kann ich Dir folgende Quellen empfehlen:

Eine Podcastaufzeichnung mit Gehirnexpertin und Key Note Speakerin Dr. Laura Wünsch.

Kurze Beschreibungen und Videos zum Thema Leistung und Entlastung von Dr. Volker Busch, Arzt und Leiter einer neuro­wis­sen­schaftlichen Arbeitsgruppe an der Universität Regensburg, Autor und Vortragsredner.

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